Migration & Asyl – Rechtssetzung
Frontex – Fragen und Antworten
Wer oder was ist Frontex?
Frontex (französisch: Frontières Extérieures – Außengrenzen) ist keine Grenzpolizei, sondern eine Agentur der Europäischen Union und wurde zum 1.5.2005 durch die Verordnung Nr. 2007/2004 der EG gegründet. Frontex soll dazu beitragen, die Außengrenzen der EU zu schützen. Frontex beschäftigt Vertragsbedienstete und Entsandte von Behörden der Mitgliedstaaten.
Was macht Frontex?
Frontex’ Ziel ist es nach eigenen Angaben dazu beizutragen, dass „Europas Grenzen offen und sicher bleiben“. Frontex hat hierbei drei zentrale Aufgaben: 1. analysieren, 2. koordinieren und 3. unterstützen.
- Analyse
Frontex sammelt Daten und Informationen über illegale Migration und über grenzüberschreitende Kriminalität wie zum Beispiel Menschenhandel oder Schmuggel von Waren und wertet diese aus.
Hierbei arbeitet Frontex genau wie die europäische Polizeibehörde Europol erkenntnisgestützt. Die erkenntnisgestützte Ermittlungsmethode wurde in den 1990er Jahren in den USA entwickelt („intelligence-led policing“). Anstatt auf Gesetzesverstöße zu reagieren, wird mit dieser Methode versucht, durch eine detaillierte Analyse der Gefährdungssituation Risiken für Gesetzesverletzungen zu ermitteln und so kriminelle Handlungen zu verhindern. Anstatt die illegale Grenzübertretung nur zu stoppen, soll Frontex mithin durch eine umfassende Datenerhebung und -analyse die „Risiken“ für „alles ermitteln, was die Grenzsicherheit betreffen“ könnte.[1]Für die EU-Grenzschutzagentur Frontex gehört irreguläre Einwanderung genauso zu den Risiken, denen sich die EU stellen muss, wie grenzüberschreitende Kriminalität. Ein Großteil ihrer Arbeit ist daher der Analyse des Einwanderungsrisikos und der Entwicklung passender Strategien zur Verhinderung irregulärer Einwanderung gewidmet.
- Frontex sieht seine Rolle darüber hinaus darin, die nationalen Grenzschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten mit den „Welten der Forschung und der Industrie“ zu verknüpfen [2]; das bedeutet, Unternehmen, die Überwachungs- und Kontrolltechniken entwickeln, mit Grenzschutzexperten zusammenzubringen und weitere Forschung über Grenzschutz zu initiieren.
- Koordinierung
Da Frontex selbst keine Polizei ist, koordiniert die Agentur die Einsätze der Grenzpolizeien der Mitgliedstaaten. Ein Beispiel hierfür ist das European Patrols Network, das Europäische Patrouillennetzwerk. Um die Grenzschutzeinsätze im Mittelmeer zu koordinieren hat Frontex zunächst erfasst, welche Einrichtungen und Organisationen sich in den EU-Mittelmeeranrainerstaaten mit Grenzschutz beschäftigen. Es handelt sich im Ergebnis um 50 verschiedene Behörden, die an 30 verschiedene Ministerien angeschlossen sind. Dazu zählen nicht nur Polizei und Innenministerien, sondern auch der Zoll, Fischereibehörden oder die Küstenwache. Frontex hat alle diese Einrichtungen miteinander in Verbindung gebracht und unterstützt sie dabei, ihre Einsätze besser abzusprechen. - Unterstützung
Auf Grundlage der ermittelten Risiken plant Frontex die Unterstützung der nationalen Grenzpolizeien aus den EU-Mitgliedstaaten. Zum Selbstverständnis der Grenzschutzagentur gehören auch Einsätze auf hoher See, um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu bewahren (zur Kritik an Frontex s.u.).
Hinzu kommt das Training von Grenzpolizisten. Frontex entwickelt gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Trainingscurricula, bildet aber auch selbst Trainer aus, damit die Grenzschützer im Falle einer gemeinsamen Operation hinreichend vorbereitet sind.
Struktur von Frontex
Frontex ist eine Agentur mit Sitz in Warschau. Sie hat drei große Abteilungen: Operationen, „Fähigkeiten“ (Capacites) und Verwaltung. In der Abteilung „Operationen“ werden die gemeinsamen Einsätze der Grenzpolizeien koordiniert. In der Abteilung „Capacities“ sind Forschung und Training angesiedelt. Die Verwaltung kümmert sich um Finanzen, Personal und IT.
Wie groß ist das Budget von Frontex?
Seit seiner Gründung erhöhte die EU das Budget von Frontex fast kontinuierlich. 2016 stehen der Grenzschutzagentur 254 Millionen Euro zur Verfügung. Im Vergleich: Die europäische Polizeibehörde Europol ist 2016 mit finanziellen Mitteln im Umfang von 100 Millionen Euro ausgestattet.
Warum ist Frontex keine Grenzschutzpolizei, sondern eine Agentur?
Kurz gesagt: Frontex ist keine europäische Grenzpolizei, weil die EU kein Staat ist. Eine Polizei hat u.a. die Aufgabe, Straftaten zu vermeiden und zu unterbinden. Da die Polizei als „verlängerter Arm des Gesetzes“ den Staat hierbei vertritt, darf sie den Bürgern gegenüber auch Zwang ausüben.
Dieses Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger gibt es in der EU so nicht. Zwar hat die EU bestimmte Kompetenzen, sie darf den EU-Bürgern gegenüber jedoch keinen Zwang anwenden. Aus diesem Grund gibt es keine europäische Grenzpolizei, sondern eine Verwaltungsagentur, die die (beschränkten) Kompetenzen umsetzt, die die EU in der Grenzpolitik hat.
Frontex steht oft in der Kritik – aber warum?
Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen werfen Frontex regelmäßig Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen international geltendes Flüchtlingsrecht vor. So zeigt beispielsweise ein 2013 von Pro Asyl vorgelegter Bericht, dass an der griechischen Land- und Seegrenze, die auch zum Einsatzgebiet von Frontex zählt, regelmäßig völkerrechtswidrige „Push-Back“-Operationen durchgeführt werden. Dabei werden Flüchtlinge und ihre Boote in die Türkei zurückgedrängt, ohne dass ihnen die Möglichkeit geboten wird, um Asyl zu ersuchen.[3] Der ehemalige Frontex-Direktor Ilkka Laitinen bestätigte, dass Frontex an solche illegalen Zurückweisungen beteiligt sei. 2014 beschloss das EU-Parlament strengere Regeln für die Grenzschutzagentur. Demnach dürfen Flüchtlingsboote nicht mehr abgedrängt und zur Rückkehr gezwungen werden. Zudem ist Frontex seither verpflichtet, Flüchtlinge zu retten, die in Seenot geraten sind. Bislang lehnt es Frontex allerdings ab, einen Mechanismus einzurichten, der es Migranten ermöglichen würde, beim Verstoß der Agentur gegen Grundrechte Beschwerde einzulegen.