MAP Der neue EU Asyl- und Migrationspakt

Der neue EU Asyl- und Migrationspakt

Im September 2020 stellte die EU Kommission ihren Vorschlag für eine Reform des EU Asyl- und Migrationsmodells vor, den neuen EU Asyl- und Migrationspakt.

Die Ziele der Reform findest du hier:

Eurodac

Eurodac [griech.: daktylos = Finger] ist eine biometrische Datenbank, die 2000 durch eine Verordnung des Rates der EU beschlossen und 2003 ihre Arbeit aufgenommen hat. An eine von der EU-Kommission unterhaltene Zentralstelle übermitteln die Mitgliedstaaten die Fingerabdrücke aller Asylbewerber über 14 Jahre und aller Ausländer, die beim illegalen Überschreiten einer Außengrenze aufgegriffen wurden. Die Daten werden bis zu 10 Jahre gespeichert. Die Mitgliedstaaten können dann für jeden Asylbewerber oder Einwanderer feststellen lassen, ob dieser bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat. Auf diese Weise trägt E. zur Durchsetzung des Dubliner Übereinkommens bei, das auf die Unterbindung mehrfacher Asylanträge einer Person in verschiedenen Staaten zielt.

©BpB

Der ED-Podcast

In unserem Europe Direct Podcast haben wir mit Marie Walter-Francke, Affiliate Policy Fellow am Jacques    Delors Centre und Doktorandin an der Freien Universität Berlin, über den neuen EU Asyl- und Migrationspakt gesprochen:



Neues integriertes Verfahren an der Grenze

Der neue EU Asyl- und Migrationspakt sieht ein "Neues integriertes Verfahren an der Grenze" vor. Doch was bedeutet das genau?

Werden Geflüchtete bei irregulärer Einreise im Hoheitsgebiet der EU aufgegriffen erfolgen laut dem neuen Pakt folgende Schritte:

  • Identifizierung
  • Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfung
  • Individuelle Bewertung
  • Grundrechte-Überwachung

Anschließend wird eine Kategorisierung vorgenommen:

Negative Entscheidung wahrscheinlich

Positive Entscheidung wahrscheinlich

Asylverfahren an der Grenze

Normales Asylverfahren

Erfolgloser Antrag auf internationalen Schutz

Erfolgreicher Antrag auf internationalen Schutz

Rückführung

Integration

Dieses Verfahren soll den Asylprozess beschleunigen. Problematisch ist dabei allerdings die Belastung der Länder an den EU-Außengrenzen, sowie die möglicherweise vorschnelle Kategorisierung von Geflüchteten.

Ein szenarienbasiertes Modell

Die EU-Kommission schlägt in ihrem Entwurf vor, dass die Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten untereinander bei Fragen von Migration und Asyl an verschiedene Szenarien angepasst werden soll. Dabei listet sie 3 mögliche Szenarien auf:

  •  Ausschiffung nach Such- und Rettungseinsätzen auf See sowie Schutzbedürftige      
  •  Gefahr für die Überlastung des Migrationsmanagementsystems eines Mitgliedstaats 
  •  Krisensituationen                                                                                                                       

Doch was bedeuten die verschiedenen Punkte genau?:


Ausschiffung nach Such- und Rettungseinsätzen auf See sowie Schutzbedürftige

  • Umsiedlung offensichtlich schutzbedürftiger Personen
  • Frühzeitige Bedarfsermittlung durch einen jährlichen Zukunftsbericht
  • Solidaritätsreservoir nationaler Beiträge auf der Grundlage freiwilliger Zusagen
  • Korrekturmechanismus zur Gewährleistung wirksamer Unterstützung

Gefahr für die Überlastung des Migrationsmanagementsystems eines Mitgliedstaats

  • Ausweitung der Umsiedlung auf anerkannte Flüchtlinge
  • Beiträge auf der Grundlage eines gerechten Anteils der Mitgliedstaaten
  • Korrekturmechanismus zur Gewährleistung wirksamer Unterstützung

Krisensituationen

  • Ausweitung der Umsiedlung auf Personen, die sich in einem Verfahren an der Grenze oder in einer irregulären Situation befinden bzw. unmittelbaren Schutzes bedürfen
  • Schnelleres Gegensteuern auf EU-Ebene durch rasche Entscheidung über den Beitrag
  • Solidaritätsmechanismus, der sich ausschließlich auf Umsiedlung und Rückführungspatenschaften konzentriert

Hiermit möchte die EU-Kommission flexibles Handeln der Mitgliedsstaaten erreichen, je nach Situation an den EU-Außengrenzen.

Doch bereits kurz nach der Veröffentlichung des Vorschlages der Kommission wurde Kritik am neuen Pakt. Warum? Antworten hierauf findest du im folgenden Video:

Umverteilung innerhalb der EU

Verpflichtende Umverteilungen von Schutzsuchenden nach Quoten auf alle EU-Länder soll es nicht geben. Diese Idee hatte die EU-Staaten in den vergangenen Jahren entzweit und galt der EU-Kommission offenbar als nicht durchsetzbar.

Anstelle verpflichtender Umverteilungen hat die Kommission daher ein mehrstufiges System entwickelt. Es soll finanzielle Anreize geben: Nehmen Länder Flüchtlinge aus anderen Mitgliedstaaten auf, sollen sie aus dem EU-Budget 10.000 Euro pro Person bekommen. Bei Minderjährigen sind es 12.000 Euro.

In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen. Gerät ein Land unter Druck, kann es jedoch einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Kommission würde dann prüfen, ob beziehungsweise wie viele Menschen dem Land abgenommen werden müssen.

Jedes andere Land müsste dann Hilfe anbieten: Entweder nimmt es Migranten mit Aussicht auf einen Schutzstatus auf. Oder aber es hilft anderweitig, etwa beim Migrationsmanagement oder durch die sogenannten "Abschiebe-Patenschaften".

"Abschiebe-Patenschaften"

Dabei übernimmt ein EU-Land die Verantwortung für die Rückführung einer bestimmten Zahl abgelehnter Asylbewerber in einem anderen Land. Bestenfalls sollten die Länder dann ihre guten diplomatischen Beziehungen zu bestimmten Drittstaaten nutzen.

Die EU will weiter die Verhandlungen mit Herkunfts- und Transitländern intensivieren, damit diese abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen. Zwar werden nach EU-Angaben rund zwei Drittel der Asylanträge abgelehnt, aber nur ein Drittel der Betroffenen wird tatsächlich abgeschoben. Die Kommission will zudem einen "Rückführungskoordinator" ernennen und die Mitgliedstaaten bei Abschiebungen auch stärker durch die Grenzschutzagentur Frontex unterstützen.

Dublin-Verfahren

An den derzeit gültigen Dublin-Regeln hält die EU-Kommission grundsätzlich fest - passt sie aber an. Heute ist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Das belastet Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien übermäßig. Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass andere Kriterien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Wer in einem anderen Staat etwa Geschwister hat, dort früher schon mal studiert oder gearbeitet hat, soll dorthin kommen. Gleiches gilt, wenn ein Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist. Und auch gegen das Weiterziehen in andere EU-Staaten soll etwas unternommen werden. Dafür hatte sich Deutschland eingesetzt, das hier zu den Hauptzielländern gehört.

Seenotrettung

Hier setzt die Kommission zunächst auf freiwillige Zusagen der Mitgliedstaaten. Brüssel will zudem Empfehlungen für eine bessere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen bei der Seenotrettung erlassen. Sie will sicherstellen, dass die Grund- und Menschenrechte von Einwanderern an der EU-Außengrenze nicht verletzt werden. Überwachen soll das unter anderem Frontex.

©Tagesschau

Hier findest du eine neue Folge unseres ED-Podcasts:

FRONTEX – Grenzschutz um jeden Preis?

Wie unbegrenzt ist es wirklich, das „Europa ohne Grenzen“? Während die EU immer freizügiger und offener zwischen den Grenzen ihrer Mitgliedsstaaten geworden ist, wurde sie an ihren Außengrenzen immer konsequenter und strikter. Bei der Sicherung und Überwachung dieser Außengrenzen soll seit 2014 die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, FRONTEX, helfen. Nur will sie sich dabei nicht kontrollieren lassen. Die negativen Schlagzeilen und Vorwürfe häufen sich: Von den FRONTEX-Files, über die Klage von Menschenrechtsorganisationen vor dem Europäischen Gerichtshof, bis hin zu dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs - die Liste der Mängel und Versäumnisse von FRONTEX ist lang.
Marie Landes und Bernd Kasparek, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für europäische Ethnologie an der Freien Universität Berlin und Gründungsmitglied des Netzwerks für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung „kritnet“, sprechen über die Entwicklung der Agentur, die mit dem Ursprungsgedanken ins Leben gerufen wurde, als Schnittstelle und Kommunikator eine vermittelnde Rolle zwischen den Mitgliedsländern einzunehmen und stellen sich der Frage, ob die Versäumnisse von FRONTEX mittlerweile so weitreichend sind, um an seiner Daseinsberechtigung zu zweifeln.

Wie geht es weiter...?

Der neue EU Asyl- und Migrationspakt wurde (Stand September 2021) vor einem Jahr vorgelegt. Doch was hat sich seitdem eigentlich getan? Zum einjährigen Jubiläum erschienen einige Artikel zur Einschätzung der aktuellen Lage und der möglichen weiteren Vorgehensweise. Diese findest du bei uns auf der Website verlinkt unter Aktuelles.